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Eindrücke von der Kulturreise vom 25.05.- 01.06.2019 an die Ostsee

 


Samstag, 25.05.2019 – Abreise und Zwischenstopp auf der Wartburg in Eisenach
Seit einigen Jahren hat es sich eingebürgert, dass Ende Mai blinde, sehbehinderte und sehende Reiselustige eine Kulturreise unternehmen, welche das Blindenapostolat Südtirol anbietet und organisiert. So brach auch am 25.05.2019 eine Gruppe von 42 Personen auf, dieses Jahr mit dem Ziel Ostsee. Start war in Bozen, in Brixen, Sterzing, Innsbruck und München wurden weitere Reiseteilnehmer aufgenommen. Die Fahrt führte immer weiter in Richtung Norden, über Nürnberg bis nach Eisenach. Diese 42.700 Einwohner zählende Stadt, die wir am späten Nachmittag erreichten, liegt am nordwestlichen Rand des Thüringer Waldes. Die Landschaft, die wir kurz vor Erreichen der Stadt durchfuhren, wurde uns von unseren sehenden Begleitern als recht gebirgig beschrieben. Ansonsten sollten wir auf den vor uns liegenden Tagen sehr viel Flachland mit ausgedehnten Wiesen, Raps- oder Weizenfeldern durchfahren. Auch Mischwälder oder reine Laubwälder säumten unsere Wege. Immer wieder sah man Ansammlungen von Windrädern, so genannte Windparks, die zur Stromgewinnung genutzt werden.
In Eisenach bestiegen wir über einen Spazierweg, der von vielen Stufen unterbrochen war, die Wartburg. Diese ist im 11. Jh. von den Landgrafen von Thüringen erbaut worden und zwar als Wohnschloss. Es war sehr modern ausgestattet, mit beheizbaren Räumen und Toiletten auf jedem Stockwerk. Einer der Erbauer hatte aus Italien viele Ideen mitgebracht, die Wartburg luxuriös und nach italienischem Geschmack einzurichten. Wir wurden durch mehrere Räume geführt, wie dem Speisesaal, dem großen Festsaal oder dem Herrensaal. Im Frauenzimmer erzählten prunkvolle Wand-Mosaike vom wohltätigen Leben der Heiligen Elisabeth von Thüringen, die im 13. Jh. unter anderem auf der Wartburg gelebt hat. Ihr kurzes Leben, sie starb mit nur 24 Jahren, widmete sie zu einem großen Teil Armen und Kranken.
In der Hauskapelle erzählte uns die Führerin, dass im 16. Jh. Martin Luther von seinen Freunden auf der Wartburg versteckt worden ist, um der Verfolgung des Papstes und des Kaisers zu entgehen. Verkleidet als Junker Jörg mit langen Haaren und langen Bart verbrachte er 10 Monate hier. in dieser Zeit hat er auch die Übersetzung der Bibel in die deutsche Sprache begonnen. Das Deutsch, das er verwendete, ist bis heute die deutsche Standardsprache, womit Luther an der Entwicklung derselben großen Anteil hat.

Sonntag, 26.05.2019 –Zusammentreffen mit einer langjährigen Freundin in Magdeburg, Ankunft in Wismar an der Ostsee
Am Sonntagmorgen bestiegen wir wiederum den Reisebus und fuhren weiter, immer in Richtung Norden. In Magdeburg legten wir einen Zwischenstopp ein. Die in der Nähe lebende Bekannte des Blindenapostolates Südtirol Andrea Fesser hatte es ermöglich, dass wir im diözesanen Bildungshaus namens Roncalli-Haus eine Heilige Messe feiern und anschließend Mittagessen konnten. Der zelebrierende Priester erzählte eingangs kurz, dass das Bistum Magdeburg flächenmäßig eines der größten, von der Anzahl der Katholiken her hingegen das zweitkleinste Bistum Deutschlands ist. Dies bringt es mit sich, dass die Gläubigen weit verstreut leben und für deren Betreuung viele Kilometer zurückgelegt werden müssen.
Am späten Nachmittag erreichten wir dann Wismar an der Ostsee (knapp 45.000 Einwohner). Hier lernten wir unsere Reiseleiterin Christiane kennen, die uns bis zum Donnerstag begleiten sollte. Sie führte uns gleich durch die Hansestadt Wismar und verschaffte uns einen ersten Eindruck über die Eigenheit dieser Städte, die durch Schiffsfahrt und Handel geprägt waren und Wohlstand erlangt haben. Die Hanse ist ein Handelsverbund, dem bis zu 200 Orte angehörten. In den Hansestädten hatten nicht Adelige das Sagen, sondern die reichen Kaufleute.
Auf dem Marktplatz bestaunten wir das Wahrzeichen Wismars, nämlich die so genannte Wasserkunst. Es handelt sich um ein pavillonartiges Bauwerk mit einem Kupferdach über einer Brunnenanlage, welche im 17. Jh. die Wasserversorgung der Anwohner deutlich verbessert hatte. Über sehr holpriges Kopfsteinpflaster ging unser Bummel weiter zur Marienkirche, von der nur noch der 86 m hohe Turm erhalten ist. Dieser war einst für die Schiffsfahrt ein sehr wichtiger, weil weit sichtbarer Orientierungspunkt. In Wismar haben bis zum Anfang des 20. Jh. für mehrere Jahrhunderte die Schweden geherrscht. Daran erinnert das alljährlich stattfindende Schwedenfest.
Nach dem Abendessen führte uns Christiane noch zum alten Hafen. Bei diesem Spaziergang wurden wir mit unfreundlichem Ostseewetter konfrontiert. Regen hatte eingesetzt, aber unsere Schirme nutzten nichts, da der Wind es von allen Seiten regnen lies. Als der erste Schirm vom Wind umgeklappt wurde, wies uns Christiane schmunzelnd darauf hin, dass Schirme im Norden ein ungeeigneter Regenschutz seien. Glücklicherweise war uns aber an den restlichen Tagen das Wetter hold, die Sonne schien und wir brauchten keinerlei Regenschutz. Lediglich vom kühlen und ständig wehenden Wind hieß es sich schützen.

Montag, 27.05.2019 – Ausflug nach Lübeck und Travemünde
Ein Tagesausflug in die Stadt Lübeck (220.000 Einwohner), der Königin der Hanse, stand am darauffolgenden Vormittag auf dem Programm. Dazu fuhren wir in westliche Richtung in das Bundesland Schleswig-Holstein. Lübeck sei ein Märchen aus Backstein, wurde uns unterwegs erklärt. Wie in allen anderen Altstadtzentren, die wir an der Ostsee besucht haben, sind die Gebäude in Lübeck aus rotem Backstein. Der Backstein ist im Norden deswegen so verbreitet, weil es ja keine Gebirge gibt, aus denen Bausteine gebrochen werden konnten. Stattdessen wurde Lehm getrocknet und gebrannt. Die Bauwerke, die wir sahen, sind alle vom 10. bis zum 13. Jh. in gotischem Stil erbaut. Die Fassaden, Eingangsportale und hochstrebenden Kirchtürme sind reich verziert und fein gearbeitet. Besonders die Rathäuser, die in den von Kaufleuten und Bürgern verwalteten Hansestädten stets eine wichtige Rolle gespielt haben, sind meist mit einer Schaufassade ausgestattet, die das eigentliche Gebäude um mehrere Meter überragt. Die prachtvollen Häuser der Kaufleute sind häufig so genannte Dielenhäuser und wie folgt aufgebaut: Das Erdgeschoss, die so genannte Diele, ist höher und dort wurde gearbeitet. Hier befanden sich Werkstätten von Handwerkern, die Küche usw. Im ersten Stock waren die Wohnräume untergebracht und im letzten Stock Speicher zum Lagern der Waren.
Die Altstadt von Lübeck befindet sich auf einer eiförmigen Insel und ist von den Flüssen Trave und Wakenitz umflossen. Leicht bergauf erreichten wir den Stadtkern, der vom Ratsmarktplatz gebildet wird. Hier stehen die Marienkirche und das Rathaus. Auf dem Weg dorthin durch die Mengstraße kamen wir am Haus der Großeltern von Thomas Mann vorbei, das er in seinem Roman „Die Buddenbrooks“ ausführlich beschrieben hat. Heinrich und Thomas Mann sind Söhne der Stadt und sind 1871 bzw. 1875 hier geboren worden.
Lübeck hat außerdem eine Vorrangstellung in der Marzipanherstellung. So deckten wir uns mit der köstlichen Süßigkeit ein und kauften auch die verschiedensten Figuren aus Marzipan, die wir als Mitbringsel nach Hause mitgenommen haben.
Am Nachmittag unternahmen wir dann eine Schiffsfahrt auf der Trave und schipperten bis zur 30 km entfernten Stadt Travemünde. Dort begab sich ein Teil der Gruppe für einen Bummel in die Stadt, während der andere an den Strand ging. So mancher ließ es sich auch nicht nehmen, in der ganz ruhig daliegenden Ostsee ein Fußbad zu nehmen.
Zurück in Wismar unternahmen einige der Gruppe nach dem Abendessen wiederum einen Spaziergang zum alten Hafen. Ohne Regen hatten wir dabei auch Muse, den Nachbau eines alten Handelsschiffes, einer so genannten Kogge, sowie mehrere Segelschiffe zu bewundern. Die Möwen kreischten und es erwachte eine leise Sehnsucht nach dem sicherlich romantisierten Leben früherer Seeleute, sowie nach fernen Ländern.

Dienstag, 28.05.2019 –Backsteingotik in Bad Doberan, Ostseebad Warnemünde und Universitätsstadt Rostock
Am Dienstag verließen wir Wismar und fuhren weiter in östliche Richtung. Im Kurort Bad Doberan statteten wir dem einzig erhaltenen Münster des ehemaligen Zisterzienserklosters einen Besuch ab. Mit Begeisterung und sehr ausführlich wurden uns die Besonderheiten dieses Gotteshauses in Backsteingotik erklärt. Die verschiedenen Flügelaltäre, die Kirchenbänke und das Chorgestühl aus Eichenholz sind reich verziert und fein gearbeitet. Immer wieder fiel das Wort „filigran“. Im Münster sind auch die Herzoge von Mecklenburg begraben.
Dann ging es weiter in die malerische Ortschaft Warnemünde. Hier mündet der Fluss Warnow von Rostock kommend in die Ostsee. Wir spazierten vorbei an niedrigen Häusern mit den für den Norden charakteristischen, steilen Dächern. Die meisten waren in hellen Farben getüncht, einzelne waren Fachwerkhäuser. Unterwegs verkosteten wir verschiedenste Produkte mit Sanddorn. Dieser ist typisch für die Gegend. Am Strand angekommen erstiegen einige den 31 m hohen Leuchtturm. Auch mussten wir der Rostockerin Christiane bestätigen, dass der Sand hier viel feiner sei als in Travemünde. Der eine oder andere probierte aus, wie gut man in einem Strandkorb sitzend vom Wind geschützt ist, der, wie gesagt, beständig und kühl weht. Die Strandkörbe sind das Markenzeichen für den Badetourismus an der Ostsee. Allerdings wagten von unserer Gruppe auch die mutigsten nicht mehr Badefreuden, als ein Fußbad.
Der Abschluss des Tagesprogrammes erfolgte in der größten Stadt Mecklenburg-Vorpommerns, nämlich in Rostock mit seinen 200.000 Einwohnern. Diese wichtige Hafenstadt an der Warnow ist vor 800 Jahren gegründet worden und feiert in diesem Jahr das 600jährige Bestehen ihrer Universität. In Rostock studieren 15.000 junge Menschen. Zunächst besuchten wir die Marienkirche. Diese hat den Grundriss eines griechischen Kreuzes, das heißt, dass der Querbalken in der Mitte des Längsbalkens verläuft und beide gleich lang sind. Das Innere der sehr hellen Kirche ist gleich hoch wie der Leuchtturm in Warnemünde. Eine Besonderheit in diesem Gotteshaus ist eine astronomische Uhr, die neben der Uhrzeit auch Mondphasen, Sternzeichen, Wochentag, Datum des Osterfestes und vieles mehr anzeigt und zwar für 133 Jahre. 2017 ist das Ziffernblatt ausgetauscht und somit bis 2150 aktualisiert worden. Durch die Fußgängerzone ging es anschließend die Kröpeliner Straße entlang, vom Möwenbrunnen am Marktplatz bis zum begehbaren Brunnen der Lebensfreude am Universitätsplatz, den die Rostocker lieben und als Treffpunkt nutzen. Das schmuckvolle Rathaus ist mit einer barockisierten Schaufassade versehen, die von 7 Türmchen gekrönt ist. Für die folgenden beiden Nächte bezogen wir in Rostock Quartier.

Mittwoch, 29.05.2019 – Ausflug auf Deutschlands größte Insel, Rügen
Einen Ausflug auf die Insel Rügen unternahmen wir am Mittwoch, womit wir auch den nördlichsten Punkt der Reise erreichten. Von Mecklenburg fuhren wir hierfür nach Vorpommern. Das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern hat 1,6 Millionen Einwohner und ist sehr dünn besiedelt. Es ist auch eine strukturschwache Gegend. Dies vielleicht bereits früher, soll doch bereits Bismarck gesagt haben, wenn die Welt untergehe wolle er nach Mecklenburg-Vorpommern gehen, denn dort sei man 50 Jahre hinten. Davon, dass die Gegend immer noch dünner besiedelt ist, je östlicher man kommt, konnten wir uns jedenfalls selbst überzeugen, da wir durch weites, landwirtschaftlich genutztes Land oder durch ausgedehnte Wälder fuhren. Mecklenburg-Vorpommern hat 1.700 km Küstenlinie, rechnet man alle Buchten von Festland und Inseln zusammen. Die Ostsee ist ein Binnenmeer, das nur durch die Meerengen zwischen Skandinavien und Dänemark mit der Nordsee verbunden ist. Durch diese Abgeschlossenheit und durch die Tatsache, dass ziemlich wasserreiche Flüsse in die Ostsee münden, ist das Wasser sehr salzarm.
Bevor wir über die 4 km lange und 42 m hohe, neue Straßenbrücke auf Rügen gelangten, statteten wir noch Stralsund einen Besuch ab. Die Altstadt von Stralsund ist, zusammen mit der Altstadt Wismar und wie auch die Altstadt von Lübeck, UNESCO-Weltkulturerbe. Wir spazierten zum Alten Markt, auf dem das imposante Rathaus mit gotischer Schaufassade und die Nikolaikirche stehen.
Dann aber ging es auf die Insel Rügen, die ungefähr 40 mal 50 km groß und von 70.000 Personen bewohnt ist. Im Westen ist die Küste von einer Lagunenlandschaft geprägt. Der Norddeutsche macht aus der melodisch klingenden Lagune aber kurz und trocken einen „Bodden“, wies uns Christiane darauf hin. Wir aber hielten uns an der Ostküste auf, zunächst im Strandbad Binz. Die schönen Villen in großen Gärten mit hohen Bäumen, die wir auf unserem Weg zur Strandpromenade sahen, ließen die touristische Bedeutung des Ortes erahnen. Auf der Strandpromenade angelangt blickten wir über ein türkisfarbenes bis tiefblaues Meer, in das wir auf einem Holzsteg, der so genannten Seebrücke, 500 m weit hinausbummeln konnten. Die weiß getünchten Gebäude am Meeresufer wurden in der Mitte des 19. Jh. erbaut.
Nach der Mittagspause begaben wir uns nach Sassnitz zum Hafen und bestiegen ein Schiff. Mit diesem fuhren wir die so genannte Kreideküste entlang. Hier ragen schneeweise Felsen in die Höhe. Am markantesten unter diesen Felsformationen ist der Königsstuhl, ein Felsvorsprung, der an drei Seiten 117 m, steil ins Meer abfällt.
Zurück in Sassnitz genossen wir noch ein bisschen den Aufenthalt an der Strandpromenade. Erwähnenswert sind auch die Fischkutter, von denen aus frischer Fisch verkauft wird. Hier und übrigens auch an den anderen Tagen während unseres Aufenthaltes, beschafften wir uns so manchen Imbiss in Form eines Fischbrötchens oder einer Tüte voll kleiner gebratener Fischchen. In Acht nehmen musste man sich bei dieser Art der Verpflegung allerdings vor den gefräßigen Möwen, denn es kam durchaus vor, dass diese einem im Sturzflug so einen Leckerbissen wegschnappten.

Donnerstag, 30. Mai 2019 – Mecklenburg-Vorpommern punktet mit Wasser
Mecklenburg–Vorpommern punktet mit Wasser. Außer der langen Ostseeküste mit vielen Buchten gibt es auch eine Unzahl von Seen, viele davon bilden die Mecklenburger Seenplatte. Dieser galt unser Ausflug am Donnerstag. Hierzu verließen wir die Ostseeküste und fuhren in Richtung Süden nach Malchow. Von hier aus unternahmen wir wiederum eine Schiffsfahrt, dieses Mal auf fünf der Seen dieser Seenplatte. Das Ufer wurde von Wiesn, Strandbädern – wo einzelne Badegäste sich tummelten – Schilfgürteln und Wäldern gebildet. Ein paar Mal mussten wir durch einen schmalen Kanal von einem zum anderen See wechseln.
Nach zwei Stunden erreichten wir Waren an der Müritz, einen Badeort, in dem bereits im 19. Jh. Fremdenverkehr betrieben worden ist. Unsere lokale Reiseführerin führte uns über schmale, holprige Gassen durch die ruhige Ortschaft. Wie alle anderen Städte, die wir bisher besucht hatten, war alles sehr liebevoll saniert. Am Ende der DDR–Zeiten sah es hier nämlich schlimmer aus als nach dem 30-jährigen Krieg und eigentlich hätte alles abgerissen und durch moderne neue Gebäude ersetzt werden sollen.
Dann hieß es Abschied nehmen von Christiane, die zurück nach Rostock fuhr. Wir hingegen setzten unsere Reise fort, weiter in südöstliche Richtung, in die Hauptstadt Berlin.
Da unsere Unterkunft sehr zentral gelegen war, konnten wir nach dem Abendessen noch einen Spaziergang zum Regierungsviertel unternehmen, vorbei am Kanzleramt, am Reichstag, dem Sitz des Bundestages und an mehreren Botschaften, bis hin zum Brandenburger Tor. Einige von uns radelten mit einem Gefährt, dass aus sechs zusammenhängenden Fahrrädern bestand, eine Runde über den Pariser Platz und hatten dabei großen Spaß.
In der Nähe besuchten wir auch die Gedenkstätte für die ermordeten Juden Europas, gebildet aus 2700 Betonblöcken in der Höhe von 30 cm bis zu 3 m. Zwischen diesen Blöcken kann man sich bewegen und wie durch ein Labyrinth hindurch laufen. Dabei entsteht ein sehr beklemmendes Gefühl, wohl dadurch, dass man im Hinterkopf die Bedeutung der Gedenkstätte hat und auch dadurch, dass die Gänge sehr eng sind.

Freitag, 31. Mai 2019 – Berlin, Hauptstadt mit zwiespältiger Geschichte
Dem Besuch der Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland, Berlin (fast 4 Millionen Einwohner) war der Freitag gewidmet. Die Reiseleiterin Uta holte uns am Morgen ab und wir unternahmen eine Stadtrundfahrt mit dem Reisebus. Zunächst ging es zum Brandenburger Tor und zum Pariser Platz. Das Brandenburger Tor wurde Ende des 18. Jh. als Westtor der damaligen Stadt erbaut. Es ist 28 m hoch und besteht aus fünf Durchfahrtsmöglichkeiten. Auf dem Tor befindet sich eine Skulptur der Siegesgöttin Victoria in einem von vier Pferden gezogenen Streitwagen. Vor dem Mauerfall stand das Tor im Ostteil der Stadt. Am Boden ist mit Farbe markiert, wo einst die Mauer verlaufen ist, die Berlin in Ost – und Westberlin geteilt hat. Diese ist nach der Deutschen Vereinigung im Jahre 1990 fast vollständig abgerissen worden. Sie war vom 12. auf den 13. August 1961 in einer Nacht und Nebelaktion erbaut worden, um die Bewohner des Ostsektors an der Ausreise in die Westsektoren zu hindern. Viele von uns haben wohl die Bilder im Fernsehen noch in Erinnerung, als am 9.November 1989 die Grenze geöffnet worden ist und die Menschen auf der Mauer tanzten und sich weinend und lachend in den Armen lagen.
Weiter ging unsere Rundfahrt auf die Museumsinsel. Es handelt sich um die von zwei Armen der Spree gebildete Nordspitze einer Insel, auf der in den Jahren von 1830-1930 fünf Museen erbaut worden sind. Auch der Berliner Dom befindet sich ganz in der Nähe. Diesen haben wir allerdings nur von außen betrachtet bzw. die blinden Reiseteilnehmer haben sich anhand eines Modells eine Vorstellung vom Gebäude verschafft.
Der nächste Stopp war beim Sony Center, einer zeltartigen Passage, in der Geschäfte, Restaurants, das Filmmuseum und die Hochschule für Film untergebracht sind. Das Gelände war in der Gegend, in der die Mauer verlaufen ist. Durch den Mauerbau waren 200 Straßen zu Sackgassen geworden und Grundstücke an der Mauer hatten keinen Wert. Kurz vor der Wende kauften große Konzerne diese Grundstücke für billiges Geld, darunter auch Sony. Noch heute ist man dabei, den 155 km langen und mehrere 100 m breiten Ring um das frühere Westberlin, auf dem die Mauer samt Todesstreifen verlaufen ist, städtebaulich zu gestalten und zusammenwachsen zu lassen, was für fast 30 Jahre getrennt gewesen ist.
Zum Schluss wurden wir noch zur Kaiser-Wilhelm–Gedächtniskirche gebracht. Vom ursprünglichen Gotteshaus steht nur noch der Turm, der im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt worden ist. Die Ruine wird aber als Mahnmal gegen den Krieg und für den Frieden stehen gelassen. Nebenan wurde die neue Gedächtniskirche erbaut. Diese hat einen achteckigen Grundriss und durch 20.000, in den verschiedensten Blautönen gefärbte Fenster kommt sehr viel Licht in das Innere. Mancher nutzte hier bei Orgelmusik einen Moment der Stille, um über das gesehene und gehörte, sowie über verschiedene geschichtliche Ereignisse Deutschlands und Europas nachzudenken, mit denen wir in Berlin konfrontiert worden sind.
Den freien Nachmittag verbrachten die einzelnen Gruppenmitglieder mit einem Einkaufsbummel am Kurfürstendamm oder auf dem Potsdamer Platz, mit einem Spaziergang durch die Grünanlagen des so genannten Tierparks bzw. mit einem Besuch des Berliner Zoos. Jemand unternahm auch eine Schiffsfahrt auf der Spree und konnte so Berlin von einer anderen Perspektive aus betrachten, sowie sich ein Bild darüber machen, dass es in dieser Großstadt sehr viel Grün gibt.
Zum Abendessen trafen wir uns alle wieder und saßen anschließend noch gemütlich zusammen. Es war ja unser letzter gemeinsamer Abend.

Samstag, 1. Juni 2019 – Heimreise

Am Samstag Früh traten wir dann die Heimreise an, die praktisch den ganzen Tag in Anspruch genommen hat. Die lange Fahrzeit verkürzten wir uns durch den einen oder anderen Plausch, durch das Vorlesen von unterhaltsamen Geschichten, durch gemeinsames Singen oder durch eine Partie Karten.
Außerdem hielten wir Rückblick auf die vergangenen Tage und waren uns einer Meinung, dass wir wieder viel schönes und interessantes gesehen und erlebt hatten.
Über die Sehenswürdigkeiten hinaus waren aber die Begegnungen mit den Menschen vor Ort wichtig, die Begegnungen mit den verschiedenen Reiseleitern und besonders mit Christiane, mit Andrea in Magdeburg, mit Wolfgang, Luise und Richard, die im Norden für einige Tage mit uns unterwegs gewesen waren, sowie mit Pfarrer Abbas und seinen Bekannten, die wir in Berlin getroffen haben. Auch die Gemeinschaft in der Gruppe ist ein wichtiger Bestandteil dieser Reisen. Diese wurde beim gemütlichen Mittagessen in einem Landgasthaus in Franken noch ein letztes Mal gefeiert.
Schließlich nahm der Dank großen Platz in unserem Rückblick ein: Dank gilt in erster Linie Nikolaus, der neben seinen vielen anderen Aufgaben nun seit mehreren Jahren auch jene der Organisation unserer Reisen übernommen hat, unserem Fahrer Daniel, der uns bereits zum zweiten Mal durch die Lande kutschiert hat, den sehenden Begleitern, ohne die wir Sehgeschädigten ja keine Reise unternehmen könnten, sowie unseren Schutzengeln oder anderen guten Mächten, mit deren Hilfe wir alle gesund wieder nach Hause zurückkehren konnten.
Nicht zuletzt wurden, wie üblich, auch Pläne für eine nächste Kulturreise geschmiedet, die hoffentlich auch im kommenden Jahr stattfinden wird, und uns ein weiteres Fleckchen Erde kennenlernen lässt.

Gabi Bernard - Teilnehmerin
I-39054 Oberbozen, Juni 2019

Wartburg im Morgennebel
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