Die Geschichte des Blindenapostolats

Wie der Gedanke in Südtirol
Wurzeln schlug

 
Am 12. November 1956 treffen sich im Kapuzinersaal in Bozen zwölf Blinde. An diesem Tag wird der landesweite „Tag des weißen Stocks“ im Zeichen der Blinden begangen. Der Italienische Blindenverband hat daher seine Versammlung abgehalten. Die kleine Gruppe in der Apostelzahl setzt sich nach dem Treffen noch einmal im Kapuzinersaal zusammen, denn sie will mehr als einen Verband. Sie ist von einer Idee überzeugt. Und diese wird an Ort und Stelle umgesetzt: Gemeinsam mit einer Frauengruppe aus Bozen legt der Kapuziner P. Leopold von Gumpenberg mit dieser Kerngruppe den Grundstein für das Blindenapostolat in Südtirol.

Es war Mariedl Fischnaller Pircher, die diese Betroffenen zusammengetrommelt hatte. Sie wird die erste Leiterin des neu gegründeten Blindenapostolates. Die unermüdliche Seele der christlichen Blindenbewegung in Südtirol ist 1933 in Lüsen geboren und am 10. Mai 2014 in der Lichtenburg Nals verstorben.

Mariedl erblindete bereits als Kind und war daher von 1951 bis 1956 in der Blindenanstalt Innsbruck zur Umschulung. Dort erlernte sie das Maschinenstricken, das sie anschließend für einige Zeit in Brixen als Beruf ausübte. Neben dieser Arbeit knüpfte sie Kontakte mit anderen Blinden.

Mariedl Fischnaller Pircher sagte einmal über die Anfänge:

„Zuerst freilich war in Südtirol anderes zu machen als das religiöse Angebot. Wir mussten aus der Einsamkeit in den Dörfern und Häusern heraus, wir mussten zusammenkommen, Kontakte knüpfen. Das Wesentliche am Zustandekommen des Blindenapostolates war die Unzufriedenheit der Betroffenen. Bei einer Notlage ist es relativ leicht, etwas vom Zaun zu brechen, wenn man tut und frech genug ist. Wenn man es macht, weil es einfach notwendig ist. Wenn man nicht wartet, bis man klug genug ist, um Dinge in die Hand zu nehmen, wenn man nicht aus Menschenfurcht sich bei Rückschlägen, Kritik und Ablehnung ins Schneckenhaus zurückzieht. Wenn man bereit ist, aus den eigenen Fehlern zu lernen, und immer wieder neu anfängt, weitermacht, dann können ungeahnte Dinge geschehen, sich Kräfte entwickeln, die man selber überhaupt nicht kennt, und selber staunt, was noch alles drin ist. Diese Erfahrung machen wohl sicher alle, die ein bisschen verrückt sind.

Ein starker Antrieb war das Bewusstsein, selber einfach etwas tun zu müssen, ohne überhaupt Voraussetzungen zu haben, weder an Schulung noch Erfahrung, noch an irgendwelchen technischen Hilfsmitteln oder finanziellen Möglichkeiten. Gerade darin hat es sich am besten zeigen können: Wenn man selber alles tut, was möglich ist, und wenn es vielleicht ganz wenig ist – den Rest tut der, von dem alles Beginnen und Wollen kommt.

Es kommt auf die kleinen Schritte an, und dass man dabei nicht die Ausdauer und Treue verliert dem gegenüber, was man sich vorgenommen hat! Alleine wäre jemand freilich auf verlorenem Posten. So war es auch bei unserer Aufgabe.“


1963 hat der Besuch bei Weihbischof Heinrich Forer einen großen Durchbruch gebracht. Er meinte nämlich auf die aufdringlichen Bitten hin, doch einen Blindenseelsorger zur Verfügung zu stellen: „Ja gut, dann machen Sie es! Herr Josef Moroder, da ist eh nicht viel zu tun.“ Josef Moroder war sein Sekretär. So war Herr Moroder von 1963 bis 1975 – wohl in der schwierigsten Phase, der intensiven Vorbereitung für den Bau des Blindenzentrums – unser geschätzter Blindenseelsorger. Wieder durch Weihbischof Forer folgte dann Blindenseelsorger August Prugger, der auch schon in der Bauzeit des Blindenzentrums sich große Verdienste erworben hat. Mittlerweile ist Dekan Vitus Deiaco von Bischof Ivo Muser zum Blindenseelsorger ernannt worden.
Maria Fischnaller Pircher
Maria Fischnaller Pircher